Wenn die Liebsten allmählich ihre Erinnerungen verlieren, ist das für die Angehörigen nicht einfach. Wie soll man reagieren, wenn der Vater sich im Nachthemd an die Bushaltestelle setzen will?
Für demenzkranke Menschen ist es wichtig, dass sie in ihrer Illusion bleiben dürfen. Deshalb gibt es auf vielen Demenzstationen Haltestellen im Garten, wo die Patienten seelenruhig auf den Bus warten.
Am besten ist es, wenn man in die Welt dieser Leute einsteigt oder geschickt auf ein anderes Thema umschwängt.
Altenpflegerin Birgit hat mir einige Geschichten über den Umgang mit demenzkranken Menschen erzählt. Falls ich jemals selbst damit konfrontiert werde, fühle ich mich nun besser vorbereitet. Eine besondere Begegnung möchte ich deshalb hier mit dir teilen.
Autorin: Sarah Stano | Passionierte: Birgit

Es war sieben Uhr morgens, als ich voller Elan die Tür zur nächsten Patientin aufschloss. Ich stockte kurz, denn Frau G. zog gerade im Nachthemd edle Goldgeschirr aus der Vitrine. Fein säuberlich stellt sie Unterteller und Tassen auf den Tisch. Die weißen Locken lagen platt gedrückt von der Nacht an ihrem Kopf.
„Guten Morgen Frau G. Erwarten Sie etwa Besuch?“ Zur Begrüßung streichelte ich der Frau den Rücken.
Aus großen Augen starrte sie mich an und nickte.
„Wir erwarten niemanden.“ Aus der Küche schleppte sich die 24-Stunden-Hilfe und hielt einen Pott Kaffee in der Hand. „Sie muss sich anziehen und ihre Tabletten nehmen.“
Gab es ab einem bestimmten Alter nichts wichtigeres als Tabletten zu sich zu nehmen? Die Frau lag den ganzen Tag im Bett und starrte an die Decke. Wenn sie dachte sie bekäme Besuch, warum sollte sie dann nicht den Tisch decken? Ehe sie von der nicht auftauchenden Verwandtschaft enttäuscht wäre, hätte sie alles wieder vergessen. Die Frau sollte eine Beschäftigung haben.
Frau G. zog weiterhin Servietten aus dem Regal und faltete sie in der Mitte, während ich der 24-Stunden-Hilfe beschwichtigend zunickte.
„Wie viele Personen kommen denn Frau G.?“, fragte ich. „Sechs?“
„Ja sechs.“
„Super, dann machen wir doch mal den Tisch frei und richten ihn schön her. Haben Sie eine Tischdecke?“
„Ja natürlich.“
Gemeinsam breiteten wir den Stoff auf dem Tisch aus, danach verteilte sie drei Teller. Auf zwei legte sie eine Kuchengabel auf den Dritten einen Löffel. Es war egal, denn sie lächelte.

„Aber Frau G., wenn Sie Besuch bekommen, müssen sie auch etwas Schickes anziehen.“ Ich führte die lächelnde Frau in ihr Schlafzimmer. Gemeinsam suchten wir im Kleiderschrank nach einer schönen Bluse und nach einer passenden Kette. Als sie noch immer im Nachthemd gekleidet im Bad einen Lippenstift aussuchte, legte ich die Kleidung für die 24-Stunde-Hilfe bereit, damit sie Frau G. anziehen konnte.
„Wenn ich heute Abend wieder komme räumen wir das Geschirr weg. Die Tabletten kannst du ihr auch erst in einer halben Stunde geben“, sagte ich zu der 24-Stunden-Hilfe.
Beim Hinausgehen hörte ich Frau G. summen.
Sarah: Natürlich ist es für Angehörige hart, wenn sie miterleben wie ihre Liebsten nicht mehr sie selbst sind. Doch Demenzkranke können in ihrer eigenen Welt glücklich sein. Man muss sie nur lassen. In meinem Umfeld gibt es niemanden mit dieser Krankheit, deshalb weiß ich nicht, wie gut ich damit zurechtkäme. Umso mehr interessiert es mich, falls du schon Erfahrungen damit gesammelt hast. Ich freue mich auf deine Geschichte in den Kommentaren.