Für mich ist Schreiben Psychotherapie und ich denke, dass es vielen Leuten hilft, das Erlebte in Worte zu verpacken. Vor allem, damit sich negative Erinnerungen nicht im Kopf festsetzen, wo man sie Jahre später in Form von Psychotherapie wieder versucht herauszukratzen.

Besonders der Tod eines Menschen ist oft schwer zu verarbeiten. Noch krasser ist es, wenn es zu deinem Job dazugehört. Dustin aka Dena arbeitet in der Altenpflege und hat vor sieben Jahren angefangen, über seinen Job zu rappen. Als ich seine Lieder zum ersten Mal gehört habe, ist mir der Text sehr nahe gegangen. In diesem Beitrag erzählt er, warum er zum ersten Mal den Beat aufgelegt hat und wohin es ihn mittlerweile getragen hat.

Natürlich habe ich euch eine Kostprobe von seiner Musik unten mit eingebettet.

Autorin: Sarah Stano | Passionierter: Dustin aka Dena

Dustin aka Dena rappt über die Altenpflege. Damit rückt er ein Thema zurück in unseren Fokus, das wir sonst gerne verdrängen.

Ich hatte Spätdienst und in dieser einen Schicht sind zwei unserer Patienten verstorben. Als Altenpfleger gehört es dazu, dass du Menschen bis zum Tod begleitest und sicherlich geht man mit der Zeit sehr professionell damit um, doch damals war ich erst seit einem Jahr examinierter Altenpfleger. Einen einzigen Sterbefall zu betreuen war damals schon eine Herausforderung für mich. Ich musste die Angehörigen anrufen und ihnen erklären, dass die geliebte Mutter und Großmutter unsere Welt verlassen hatte. Sich gleichzeitig um zwei solche Fälle zu kümmern, war nochmal eine andere Nummer.

Völlig fertig bin ich nach meinem Dienst nach Hause und wollte mich am liebsten mit Schnaps oder Wein zuschütten und alles vergessen. Zu viele Emotionen, zu viele Bilder, die in meinem Kopf umherschwirrten.

Doch die Vorstellung mich in Selbstmitleid zu betrinken und mit einem fetten Kater aufzuwachen hielt mich davon ab. Stattdessen hockte ich mich an meinen Schreibtisch, zog das Mikrophon zu mir heran und legte einen Beat auf.

Seitdem ich 14 Jahre alt bin habe ich einen Hang zum Rap und Hip-Hop, doch zum ersten Mal rappte ich über meinen Job. In dieser Nacht entstand der Song: Letzte Tür.

„Wir geben den alten Menschen das Gefühl einfach zu leben.
Zu leben wie sie es verdient haben.
Kriegsjahre, schwere Zeiten.
Hörst du was ich hier sage?“

Dena (Letzte Tür)

Für mich war es Therapie und ich ging so darin auf, dass ich den Song zwei Tage später auf YouTube hochlud. Innerhalb von wenigen Tagen hatte ich 3000 Klicks. Für das Jahr 2013 war das ein krasser Erfolg, schließlich kannte mich bis dahin niemand und gekaufte Klicks standen nicht an der Tagesordnung.

Ich stellte das Video auch auf Facebook und innerhalb weniger Tage hatten es dutzende Leute geteilt. Viele User waren selbst Pflegekräfte und kommentierten fleißig unter dem Post. Viele von ihnen hatten die gleichen Erfahrungen gemacht wie ich und freuten sich, dass es nun endlich jemand aussprach.

Klar, in der Pflege sind Sterbefälle etwas Normales, doch mit dieser Belastung umzugehen ist nicht normal. Für mich war dieses positive Feedback ein überwältigendes Gefühl, das mich antrieb, weiter zu machen. Bis heute habe ich zu Hause in meinem eigenen Studio über fünfzig Songs zum Thema Pflege aufgenommen. Ich bin selbst Produzent, erstelle meine eigenen Beats und liebe es.

Letzte Tür - Der Song über die Pflege (Video)

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Alles was ich in meinem Job erlebe nehme ich mit nach Hause, doch seitdem lasse ich es nicht lange in meinem Hirn. Durch die Musik habe ich mein Gleichgewicht gefunden, um die psychische Belastung auszugleichen. Nach elf Jahren in diesem Job sage ich noch immer: Die Pflege ist einer der schönsten Berufe.

Einen Menschen zu pflegen und vielleicht seine letzte Instanz zu sein ist mega spannend. Du lernst den Menschen kennen und tust für dich und die Welt etwas Gutes. Menschen zu helfen ist das, was mich in diesem Job antreibt und das Rappen hilft mir dabei.

Sarah: Ich finde wir haben das Thema „Altwerden“ weitestgehend aus unserem Alltag verdrängt, doch es ist wichtig sich immer wieder bewusst zu machen, dass wir alle eines Tages auf die Pflege von anderen angewiesen sein könnten. Dustin aka Dena trifft mit seinen Texten oft den wunden Punkt. Es lohnt sich also reinzuhören!

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